Kapitel 3: Die Macht der Bilder
Transkript des aktuellen Titels
In der Kunst der Renaissance erstand das antike griechische Ideal wieder auf. Zugleich wurde die Lehre von der Physiognomie vorherrschend. Der Begriff „Physiognomie“ setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern für „physis“ – „Natur“ und „gnome“ – „erkennen/bestimmen“. Ihre Lehre vertritt die Vorstellung, dass man den Charakter eines Menschen anhand seiner äußeren Erscheinung beurteilen kann. Ein berühmtes Beispiel ist König Richard III. In William Shakespeares gleichnamigem Drama aus dem Jahr 1592 wird er zum Inbegriff des Bösen, das sich auch äußerlich in einem Buckel und einem verkümmerten Arm niederschlägt.
Während idealisierte Körper in der Kunst gefeiert wurden, wurden behinderte Menschen als Objekte der Faszination, der wissenschaftlichen Forschung oder gar als Witzfiguren dargestellt. Und noch heute regiert die Lehre der Physiognomie: So sind etwa die Bösewichte in Filmen oft behindert. Vicki Lewis, Forscherin für Disability-Studies, schreibt:
„Man denke nur an die Leichtigkeit, mit der Gut versus Böse durch das Hinzufügen eines Hakens, eines Holzbeins oder einer Augenklappe dargestellt werden können.“
Heutzutage aber gibt es eine authentischere Gegenerzählung: queere behinderte Künstler*innen feiern ihre Körper und ihr Leben.
Andere Titel im Audioguide
- Einführung
- Taktiler Lageplan
- Kapitel 1: Der ideale Körper
- Griechische Schönheiten: „Venus von Milo“ und „Doryphoros“
- Kapitel 2: Heilige und Sünder*innen
- Joey Solomon: „Selbstporträt mit Robert Andy Coombs in meinem Schlafsaal“
- Kapitel 4: Perfektionierung
- Rita Mazza: „Löwenzahn II“
- Kapitel 5: „Normalität/Normalisierung" forcieren/widerstehen
- Sammlung Prinzhorn. Karl Genzel: Weib und Mann (Adam und Eva)